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Meine Tochter Swenja geht in die 7.Realschulklasse. Bis vor einem halben Jahr war sie eine gute Schülerin. Sie war zwar nie begeistert, wenn sie lernen sollte, aber gemeinsam haben wir es immer hingekriegt. Wenn ich jetzt sage, dass sie lernen soll oder dass ich Vokabeln abfragen will, brüllt sie mich nur an und knallt mir die Tür vor der Nase zu. Ihre Hausaufgaben zeigt sie mir auch nicht mehr. Letztens hat sie mir sogar ins Gesicht gesagt, dass sie sich eben einfach nicht motivieren könne. Und ihre Noten werden immer schlechter.

Wenn ein Kind so etwas sagt, lässt einen das hilflos zurück. Denn Motivation können Sie beim besten Willen nicht so einfach in Ihr Kind hineinstopfen.
Was Sie erleben, hat auch damit zu tun, dass sich im Laufe der Entwicklung ändert, wie wir uns motivieren.

Jüngere Schüler lernen für die Eltern und für die Lehrerin oder den Lehrer.

Das heißt, sie werden von außen motiviert. Man nennt das extrinsische Motivation. Das Lob und die Anerkennung von Eltern und Lehrern sind ihr Motivationsantrieb. Je mehr sie ihre Lehrerin oder ihren Lehrer lieben, desto eifriger sind sie.

Auch Belohnungen motivieren

Voraussetzung dafür ist, dass die Belohnungen erreichbar und auch tatsächlich attraktiv sind.
Wenn Schüler in die Pubertät kommen, funktioniert diese extrinsische Motivation jedoch immer schlechter. Die intrinsische Motivation, also die Motivation aus sich heraus, aus Einsicht in die Wichtigkeit von Bildung und aus Freude am Lernen, ist jedoch etwas, was Zeit braucht und vielen Jugendlichen erst einmal fehlt. Jugendliche stecken zeitweise also sozusagen in einem Niemandsland zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation.

Viele Jugendliche lernen, weil sie wissen, dass sie sonst Ärger bekommen.

Man könnte auch sagen, sie lernen zur Stressvermeidung. Das funktioniert unterschiedlich gut. Wenn in der Schule kontrolliert wird, ob die Hausaufgaben gemacht wurden und es Folgen hat, wenn jemand wiederholt keine Hausaufgaben vorweisen kann, ist die Chance größer, dass ein Jugendlicher sich hinsetzt und wenigstens ein Mindestmaß an Arbeitsbereitschaft zeigt.

Niemand ist gerne ein schlechter Schüler/eine schlechte Schülerin.

Es gibt Jugendliche, die dazu neigen, ihren Arbeitseinsatz und ihren Lernerfolg massiv zu überschätzen. Die also ganz ehrlich der Meinung sind, gelernt zu haben, aber in Wirklichkeit nur kurz ins Buch oder Heft geschaut haben. Werden regelmäßig Vokabeltests geschrieben, bekommen Schüler jedoch eine schnelle Rückmeldung darüber, was sie tatsächlich können.

Jugendliche wollen nicht mehr gemeinsam mit ihren Eltern lernen.

Das ist normal und ein wichtiger Entwicklungsschritt. Besonders heftig können Jugendliche reagieren, wenn Eltern bisher viel gemeinsam mit dem Kind gelernt und es sehr engmaschig betreut haben, auch wenn der Grund dafür war, dass das Kind Probleme hatte und sie ihm helfen wollten.

Zu versuchen, das Wissen mit Gewalt in einen Jugendlichen hineinzustopfen, funktioniert auf Dauer nicht.

Auf diese passive Lernhaltung  ziehen sich jedoch einige Jugendliche zurück, und zwar besonders, wenn sie schon als Grundschulkind die Erfahrung gemacht haben, dass man ihnen im Zweifelsfall alles ganz genau erklärt. Also beispielsweise Textaufgaben für sie aufdröselt und die einzelnen Rechenschritte häppchenweise anbietet. Ich vergleiche solche Jugendlichen gerne mit einer Mastgans, die für Gänsestopfleber zwangsgefüttert wird und der man das Essen mit einem Schieber noch extra in den Magen drückt, damit es auch wirklich drin ist. Das ist bei uns aus Tierschutzgründen zum Glück verboten. Erstaunlich viele Jugendliche geben jedoch ganz offen zu, dass sie genau das von mir erwarten.

Verbote wie Handy- oder Ausgehverbot wecken meist nur den Widerspruchsgeist!

Oder sie wirken nur kurz. Mit solchen Verboten zeigen Sie Ihre Macht, sofern es Ihnen tatsächlich gelingt, diese Verbote auch durchzusetzen. Zum Lernen motivieren Sie so niemanden. Bedenken Sie dabei auch, wie essentiell im Jugendalter der Austausch mit Gleichaltrigen ist.
Wenn Sie ausnahmsweise zu solchen Verboten greifen, sollten die genau angekündigt sein. Spontaner Handyentzug führt dazu, dass Sie als unberechenbar wahrgenommen werden. Das hilft werden der Eltern-Kind-Beziehung noch dem Lernen.

Indem Sie Ihr Kind zu retten versuchen, retten Sie es oft gerade nicht!

Auch wenn das das ist, was Eltern ganz instinktiv als erstes tun. Sie helfen Swenja auf Dauer nicht, wenn Sie auf den letzten Drücker oder/und spätabends Hausaufgaben mit ihr erledigen, die dann letztendlich zum großen Teil Sie machen, weil zu allem anderen gar keine Zeit mehr ist. Jugendliche müssen lernen, dass sie selbst verantwortlich sind. Eltern können Unterstützung und Gesprächsbereitschaft anbieten, lernen und arbeiten müssen Jugendliche jedoch allein.
Einige Jugendliche begreifen das erst, wenn sie auf einmal sitzenbleiben. Ich habe schon des Öfteren erlebt, dass Sitzenbleiben ein sehr heilsamer Schock ist, der einen Jugendlichen wachrütteln und die Motivation zum Lernen wieder wecken kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Lernprobleme automatisch lösen, sobald ein Jugendlicher sitzenbleibt. Es besteht immer die Gefahr, dass sich jemand dann aufgibt, sich nichts mehr zutraut und in eine Abwärtsspirale gerät.

Geben Sie Ihr Kind nicht auf! Kämpfen Sie um Ihr Kind statt um jede einzelne Hausaufgabe!

Signalisieren Sie Swenja, wie wichtig sie Ihnen ist. Signalisieren Sie ihr auch, dass Sie sie akzeptieren, wie sie ist. Trennen Sie zwischen Swenjas Verhalten und Swenja als Mensch!

Jugendliche sind Außenstehenden gegenüber oft einsichtiger.

Vielleicht kann ein Verwandter, ein Freund oder ein Nachbar Swenja in einem Fach begleiten, in dem sie besonders schwach ist.

Fragen Sie Swenja, ob es nicht doch ein Fach oder ein Thema gibt, für das sie sich motivieren kann.

Meistens betrifft die Motivationslosigkeit nicht alle schulischen Bereiche. Unterstützen Sie Swenja dort, wo sie es zulässt! Loben Sie, aber loben Sie bitte nur, wenn es auch etwas zu loben gibt! Jugendliche fühlen sich nicht ernst genommen, wenn sie für etwas gelobt werden, für das sie sich nicht wirklich angestrengt haben! Loben Sie konkret und benennen Sie, was genau gut war!

  • Versuchen Sie ruhig zu bleiben!
  • Brechen Sie das Gespräch mit Swenja nicht ab!
  • Erledigen Sie keine Hausaufgaben für Swenja, auch nicht, wenn das bedeutet, dass Swenja dann ohne Hausaufgaben in die Schule gehen muss!
  • Machen Sie ihr stattdessen konkrete Hilfsangebote!
  • Sprechen Sie mit Swenjas Lehrern über ihre Probleme und suchen Sie gemeinsam Lösungen. Sorgen Sie dafür, dass Sie es erfahren, falls sich die Probleme verschlimmern!
  • Suchen Sie externe Hilfe!
  • Achten Sie darauf, immer wieder auch angenehme, positive Zeit miteinander zu verbringen!

Pubertät dauert zum Glück nicht ewig, auch wenn es sich zwischendurch so anfühlt!

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