Unsere Tochter Lara ist 8 Jahre alt und geht in die 2. Klasse. Beim letzten Elterngespräch hat die Lehrerin uns rückgemeldet, dass Lara häufig verträumt sei und nicht wisse, welche Aufgabe sie gerade bearbeiten soll. Die Lehrerin vermutet, dass Lara ADS hat und hat uns geraten, ihr Ritalin zu geben. Das wollen wir aber eigentlich nicht.
Kinder mit ADS können ganz unterschiedlich sein: verträumt oder hyperaktiv.
Während bei hyperaktiven Kindern meist früh erkannt wird, dass sie ein Problem haben und Hilfe brauchen, fallen verträumte Kinder oft durchs Raster, denn sie stören nicht. Dass der Lehrerin Laras Verträumtheit auffällt und sie Sie als Eltern deswegen anspricht, ist deshalb auf jeden Fall erst einmal positiv zu bewerten.
Ritalin ist ein Medikament mit dem Wirkstoff Methylphenidat
Etwas vorschnell ist dagegen die Empfehlung, Lara Ritalin zu geben.
Ritalin ist ein verschreibungspflichtiges Medikament mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Es wird nur gegen ein spezielles BTM-Rezept ausgehändigt, also ein Rezept nach dem Betäubungsmittelgesetz, bei dem nachvollzogen werden kann, wann und wo das Rezept eingelöst wurde.
Wie bei jedem Medikament müssen die Vor- und Nachteile sorgsam abgewogen werden. Die Gabe von Methylphenidat sollte niemals der erste Schritt sein, wenn ein Kind verträumt und unkonzentriert ist.
Glauben Sie nicht alles, was Sie im Internet zu Ritalin finden!
Um Ritalin tobt im Netz ein Glaubenskrieg. Weltanschauliche Interessen, die zum Teil auch von Sekten befördert werden, kollidieren mit den Interessen der Pharmaindustrie. Für Eltern, die einfach nur nach dem besten Weg suchen, ihrem Kind zu helfen, ist es schwer, das alles richtig einzuordnen.
Für Sie und Lara ist das aber erst einmal nicht so wichtig. Auf die Frage für oder gegen Ritalin werde ich deshalb später einmal in einem Extra-Beitrag eingehen.
Methylphenidat (wie im Medikament Ritalin) darf nur verschrieben werden, wenn andere Behandlungsversuche erfolglos waren
Das steht so in einer entsprechenden Arzneimittelrichtlinie. Außerdem wird grundsätzlich eine multimodale Therapie empfohlen. Unter multimodal versteht man, dass es mehrere Therapieansätze gibt, also auf keinen Fall nur Medikamente. An erster Stelle steht meist eine Verhaltenstherapie.
Eine spezielle Verhaltenstherapie sollte grundsätzlich der erste Schritt sein
In einer ADS-Verhaltenstherapie lernt Lara, sich besser zu steuern und genauer zu arbeiten. Ich persönlich halte es für sehr wichtig, dem Kind auf seinem Niveau zu erklären, warum es das alles lernen und Verhaltensweisen ändern soll. Kinder wollen wissen, was mit ihnen los ist und warum auf einmal so viel in Bewegung gesetzt wird.
Auch Eltern sollten in ein ADS-Verhaltenstraining einbezogen werden
Häufig bieten Kinder- und Jugendpsychologen sowie Erziehungsberatungsstellen spezielle Elterntrainings an. Bitte denken Sie nicht, dass Ihnen damit unterstellt wird, Lara verkehrt erzogen zu haben. Es geht vielmehr darum, dass Sie lernen, worauf Sie bei einem Kind mit ADS besonders achten müssen, wie Sie Anweisungen so formulieren, dass Lara sie auch wahrnimmt und wie eine ideale Lernumgebung für Lara aussehen sollte.
Tipp:
- Stellen Sie Lara einem Kinderpsychologen oder einem Kinderpsychiater vor oder melden Sie Lara in einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) an. Auch Erziehungsberatungsstellen können oftmals auf ADS testen.
- Schieben Sie die Anmeldung zu einem Diagnosetermin nicht auf! Sie müssen meist mehrere Monate auf einen Termin warten.
- Falls eine ADS diagnostiziert wird, sollte der erste Schritt eine Verhaltenstherapie sein. Dies kann auch im Rahmen einer Lerntherapie geschehen.
- Falls Sie sich irgendwann entscheiden sollten, Lara auch medikamentös behandeln zu lassen, wäre die alleinige Gabe von Methylphenidat (Ritalin) nicht sinnvoll, weil Lara so nicht lernt, sich besser zu steuern und besser zu organisieren. Das muss sie aber lernen, um eines Tages auch wieder ohne Medikamente zurechtkommen zu können.
Lesen Sie zu diesem Thema auch meinen Blogartikel Hilft ein Konzentrationstraining bei AD(H)S?!
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